Augen geradeaus!

Augen geradeaus!

Als Abgeordnete befasse ich mich jeden Tag mit einer breiten Palette an Themen und treffe die unterschiedlichsten Personen. Ich habe nie Berührung mit der Bundeswehr gehabt, obwohl ständig über sie geredet wird: Die Bundeswehr.

Meine Kenntnisse habe ich aus persönlichen Erlebnisberichten von Freunden, Zeitungswissen und abends in der Tagesschau, wenn über die Auslandseinsätze berichtet wird. Ich unterstütze klar die Linie der CDU für die Bundeswehr und lehne die gerade in Bremen vorherrschende politische Meinung, unsere Parlamentsarmee aus der Öffentlichkeit immer weiter zu verdrängen, ab, und doch muss ich hin und wieder im Parlament über Zivilklauseln und Kooperationsstudiengänge an den Bremer Hochschulen debattieren.

Daher habe ich schnell zugesagt, als sich mir die Möglichkeit bot, an einer Informationsveranstaltung des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Rennerod teilzunehmen. Für eine Woche sollte aus mir - der Zivilistin - eine Soldatin werden. Ich tauchte in eine mir völlig fremde Welt, die Bundeswehr ein, deren Bild in den letzten Wochen und Monaten von einem Skandal nach dem nächsten erschüttert wurde.

Mit unbestimmten Erwartungen reiste ich am Montag morgen sehr früh los, um noch am Vormittag in der Arlsberg-Kaserne einzutreffen.

Nach einer kurzen Begrüßung durch den Spiess, erhalten wir, die 16 köpfige Gruppe aus Politikern, Ärzten und Unternehmern, unsere Ausrüstung mitsamt Tarnuniform und Gefechtshelm. Schon hier merkte ich, wie wenig ich über die Bundeswehr wusste, denn die Regeln eines korrekten militärischen Anzugs schlagen jede Balletikette um Längen! Sich zum ersten Mal in Uniform zu sehen, war ein komisches Gefühl. Auch hier blieb nicht viel Zeit, denn der Takt bei der Bundeswehr ist klar vorgegeben, und unser Dienstplan sah Formaldienst vor.  Auch Marschieren will gelernt sein…

Und das war nötig, denn Tag 1 endete gleich mit einem Höhepunkt: Unserem öffentlichen Gelöbnis. Auf dem Markplatz der Stadt Rennerod gelobten ich und meine Kollegen – nein, Kameraden – auf die Flagge, die Bundesrepublik Deutschland tapfer zu verteidigen. Einfache Worte, aber wenn man sie plötzlich selber sprechen muss, wird einem die Bedeutung auf einmal erst richtig bewusst.

Der nächste Tag war vormittags von Theorieunterricht geprägt. Das ging von klassisch-militärischen Dingen, wie dem Aufbau einer Patrouille, bis hin zu der Forschungsarbeit an den medizinischen Einrichtungen, die gerade mich als Wissenschaftspolitikerin sehr beeindruckten. Generell war ich erstaunt, wie viel mehr sich hinter unserer Bundeswehr versteckt. Mittwoch schließlich ging es ins Feld, wo die erste wirkliche Herausforderung auf mich wartete: Die Ausbildung an der Waffe. Hatte ich Waffen bisher nur im Fernsehen gesehen, sollte ich nun selbst mit Pistole und dem Gewehr G36 schießen. Bevor aber auch nur ein einzelner Schuss abgegeben werden konnte, wurden wir sehr gewissenhaft in die Handhabung eingewiesen. Auf dem Schießstand stand die Sicherheit an erster Stelle, und jedem Schützen stand ein Ausbilder zur Seite. So wich schnell die Nervosität, aber der Respekt angesichts der Gefahren und Verantwortung blieb. Am Ende des Tages war ich schon ein wenig stolz, dass sich meine Trefferquote sehen lassen konnte und ich die Schießprüfung bestanden hatte.

Auch den Tag Nr. 4 verbrachte unsere Gruppe fast ausschließlich im Freien, wo wir Patrouillendienste, Angriffs-, Verteidigungs- und Rückzugstaktiken und natürlich das Bergen und Versorgen von Verwundeten trainierten. Auch hierbei stellte ich schnell fest, wie naiv meine Vorstellungen zum Teil gewesen waren. Denn was hinter solchen Übungen an Personal, Material und Planung steckt, erkennt man erst, wenn man das wirklich einmal miterlebt.

Am letzten Tag wurde unsere Einheit via Hubschrauber nach Köln/Wahn zum Luftwaffenstützpunkt verlegt, wo wir die Möglichkeit erhielten, einen zum mobilen Krankenhaus umgebauten Airbus und anschließend in Koblenz eines von fünf Krankenhäusern der Bundeswehr zu besuchen. Wir haben also in unserer Ausbildung einmal die gesamte Rettungskette für einen verwundeten Soldaten durchlaufen. Der letzte Abend war sehr festlich im Schloss Hachenburg, wo wir uns über unsere Erfahrungen der letzten Woche austauschten. Samstag morgen wurden wir dann ausgemustert und traten unsere Rückreise in die Zivilgesellschaft an.

Bleibt somit nur noch die Frage nach meiner ganz eigenen Manöverkritik. Sehe ich die Bundeswehr jetzt mit anderen Augen? Hat sich meine Meinung zum Militär geändert, und kann ich nun mitreden? Sicherlich habe ich nicht alle Seiten der Bundeswehr kennengelernt und sicherlich wurde ich als Abgeordnete anders behandelt als ein Rekrut, der gerade aus der Schule kommt. Aber dennoch hatte ich nie das Gefühl, dass mir etwas vorgespielt wurde, sondern dass alle Beteiligten sehr darum bemüht waren, für die Institution, ihre Anliegen und insbesondere ihre Mitglieder, um ein besseres Verständnis zu werben. So waren gerade die vielen Gespräche, die ich nach Dienstschluss mit Soldaten führen konnte ein immens wichtiger Bestandteil für mich.

So viele Eindrücke und Erfahrungen ich auch für mich persönlich mitgenommen habe, es überwiegt eines doch ganz eindeutig: Der Respekt für die Männer und Frauen, die sich täglich, zum Teil fernab der Heimat, für die Sicherheit Deutschlands einsetzen. Die körperlichen und seelischen Belastungen, die Soldaten in ihren Beruf durchstehen, kann ich zwar auch jetzt nur erahnen, aber schon allein diese Einblicke waren es wert. Gerade jetzt, wo die Bundeswehr durch die Abschaffung der Wehrpflicht die früher enge Verbindung mit der Zivilbevölkerung verloren hat, und das Verständnis bei den Menschen für die Bundeswehr und die Sorgen und Nöte der Soldatinnen und Soldaten abnimmt, braucht unsere Armee Multiplikatoren. Seit heute zähle ich mich mit vollem Stolz dazu.

 

 

Susanne Grobien